Sonntag, 26. August 2012

Verdummung auf dem Rummelplatz

Ach, wie sehr ich es bereue, meiner leieben Ehegattin Irmgrid wieder einmal nachgegeben zu haben! Kaum freut man sich auf einen gemütlichen Nachmittag im Sessel, um wieder einmal mit Spannung die 1997er Aufzeichnungen der Tour de France zu genießen, da ist es natürlich das aufdringliche Weibsbild, das einem einen Strich durch die Rechnung machen muss. Statt mir eine nahrhafte Suppe zu kochen oder ebenfalls reglos im Sessel zu sitzen, meinte die Frau des Hauses mit eiserner Beharrlichkeit, heute würde ein Besuch der Schobermesse auf dem Programm stehen. Immerhin, so Irmgrid, müssten wir doch wieder einmal unter die Leute kommen, wir gingen doch sonst nirgends hin, und so könnten wir uns doch zur Abwechslung einmal etwas Besonderes gönnen.

Entgeistert fragte ich mich, was denn in das Weib gefahren war. Als wir vor einem halben Jahr auf der Schobermesse gewesen waren, so erinnere ich mich auch jetzt noch mit höchster Präzision, war das ein ziemlich langweiliges Plätzchen gewesen. Ein halbes Dutzend Spielleute, ein paar Händler und noch eine Hand voll Gaukler, mehr war doch auf dieser hochgelobten Schobermesse überhaupt nicht zu finden! 
Warum zum Deibel sollte ich mir das noch einmal antun?
Leider schien mir das Glück nicht hold, denn nachdem ich bereits am frühen Morgen nach einer einstündigen Suche mein verlorenes Gebiss in der Bettpfanne wiedergefunden hatte, versperrte mir Irmgrid entschlossen die Sicht auf den guten, alten Fernseher. Ich schlug meiner Lieben vor, mir doch etwas Feines zu kochen, oder vielleicht nach der Wäsche zu sehen, aber leider führten diese Beschwichtigungsversuche nicht zum erhofften Erfolg. Viel mehr erzürnte Irmgrid und meinte, ihr stünde der Sinn nunmal nach einem guten Backfisch, außerdem würde die frische Luft einem alten Nörgler wie mir scheinbar gut bekommen.

Mürrisch musste ich also ausnahmsweise einmal nachgeben, damit das Weib schnellstmöglich wieder den gewohnten Platz hinter dem Herd bezog, und so stieg ich in meine schnittige, neue Mühle. Autos waren nie so richtig mein Ding gewesen, aber mit dem Alter kann man sich ja gelegentlich mal ein neueres Modell leisten, weshalb ich gegen die ganzen Jungspunde ohne Zweifel der König des Asphalts bin. Zumindest konnte ich mir jetzt einen Spaß daraus machen, in einem mörderischen Affenzahn um die Kurven zu heizen. Fast wäre es nötig gewesen, in den zweiten Gang zu schalten, als mich Irmgrid zu einer vorsichtigeren Fahrweise ermahnte, und ich seufzend den Fuß vom Gas nahm. Wehe dem rotznäsigen Rüpel, der mich anschließend spottend mit seinem Dreirad überholt hat! Zumindest die Klasse meines Gefährts blieb trotz meiner nur geringfügig rasanten Geschwindigkeit weiterhin über jeden Zweifel erhaben.

Na, wer ist hier ein rasanter Raserrentner?
Kaum hatten wir uns nach ein paar Stunden von unserem gemütlichen Häuschen bis in die Stadt bewegt, erwartete uns auch schon das erste Hindernis: nachdem ich Jahrzehnte ohne Unterbrechung jeden Tag eine Parkmöglichkeit auf dem Glacis wahrgenommen hatte, stand dort jetzt urplötzlich eine unsagbar laute, abstoßende Ansammlung von dubiosen Buden und hässlichen Konstrukten. Wo sollte ich jetzt meinen Edelschlitten abstellen, um zur Schobermesse zu gelangen, wenn hier dieser Sündenpfuhl den ganzen Parkraum einnahm?

Nachdem ich durch einen enormen Glücksgriff vor der Einfahrt des nächsten Krankenhauses einen freien Stellplatz ergattern konnte, hielt uns also niemand mehr von unserem schönen Nachmittag auf der Schobermesse ab. Mit dem Bus bewältigten wir das letzte Stück des Weges, wobei ich dem Fahrer netterweise einen Teil seiner Arbeit abnahm und mich streng um die Sitzordnung kümmerte, sodass keiner unter sechzig auch nur ansatzweise einen der wertvollen Sitze mit seinem faulen, knabenhaften Hintern berührte.

Voller Empörung erfuhr ich, dass sich die Schobermesse zwischenzeitlich innerhalb nur weniger Wochen von einem gemütlichen Dorffest zu einem monströsen Unheilsmagneten entwickelt hatte! Angefangen beim sündigen Schwarzwaldhaus, wo sich meine Wenigkeit als großer Liebhaber der namensgebenden Kirschtorte überhaupt nicht wohlfühlte, bishin zum lächerlichen 5D-Kino, das mit seinen abscheulichen Farbfilmen mitsamt Ton sofort alle Besucher abschreckte, gab es nur Humbug auf dieser Veranstaltung!

Neben dümmlichen Attraktionen fanden sich auch ganz und gar gefährliche Anlagen auf dem Gelände! Auf dem teuflischen Top Spin etwa wurden jugendliche Taugenichtse so lange durchgeschüttelt, bis sie auf einmal zu Linkshändern wurden! Wie jeder weiß, wurde ihnen damit eine Existenz als niedere Kreatur vorherbestimmt, wobei sie stets aufgrund ihrer Unfähigkeit und Andersartigkeit ausgegrenzt werden. Fast noch schlimmer ist das sogenannte "Grüne Spiel", wo den Rotznasen scheinbar ein grünes Drogengift eingeflößt wird, das sie noch dümmer und nutzloser macht! Wir hatten damals wenigstens noch guten, alten Alkohol getrunken!

Kurz bevor wir wieder die Flucht ergriffen hatten, wollte ich mit Irmgrid doch noch eine der letzten, sicheren Zufluchtsstätten aufsuchen, und so schleppte ich sie zu einem Ort, der durch seinen Namen eine ähnliche Geborgenheit wie in der heimischen Stube, sowie das entschieden einzige gute Bier des Landes versprach. Kaum drinnen, wurden Irmgrid und ich allerdings Ziel eines heimtückischen Attentats! Nachdem wir uns in letzter Zeit ausführlich für die Lümmelsfreie Stub' e.V. aufgeopfert hatten, schienen wir ins Fadenkreuz einer böswilligen Gruppierung geraten zu sein, die sich mit unseren Inhalten bestens auskannte, und sich uns in den Weg stellen wollte!

Mit diesem guten Namen hat uns der Feind geködert!

Zum einen wurden wir mit massiv zu laut aufgedrehtem Dubstep beschallt, was zweifelsohne die Musik des Teufels ist. Weiterhin hatten sich die Feinde - Leute mit Flesh-Tunnels - in großer Zahl versammelt, um ihren großen Coup gegen uns durchzuführen, was in einer brillianten Zurschaustellung ihrer bösen Pläne gipfelte. Zwei der anwesenden Mitglieder der Feindgruppierung läuteten nämlich den Beginn einer neuen Generation von Lümmeln ein, als sie sich vor meinen aufgerissenen Augen das Jawort gaben. Der Krieg hat also begonnen, und die Lümmelsfreie Stub' e.V. wird nicht verlieren! Wir warnen ausdrücklich vor dem Hauptquartier des Feindes: der Schobermesse!

Mit freundlichen Grüßen,
Lümmelsfreie Stub' e.V.

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